Geodätische Messungen auf FINO-2
Das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) betreibt auf FINO-2 in der Ostsee eine permanente Messeinrichtung, mit der die Signale der globalen Satellitennavigationssysteme (GNSS) empfangen werden. FINO-2 ist Teil des Integrierten Geodätischen Referenznetzes Deutschlands (GREF) des BKG. GREF besteht aus ca. 30 Referenzstationen im gesamten Bundesgebiet einschließlich der den deutschen Küsten vorgelagerten Inseln Helgoland, Borkum, Sylt und Rügen. Die GREF-Stationen zeichnen die Signale von allen derzeitig verfügbaren globalen Satellitennavigationssystemen (GPS, GALILEO, GLONASS und Beidou) auf. Die Daten von FINO-2 werden in Echtzeit mit einer Datenrate von einer Sekunde über die Satelliteninternetverbindung der Plattform an die zentrale Datenplattform (sog. Broadcaster) am BKG weitergeleitet und dort ausgewertet.
Die Messungen auf den GREF-Stationen sind die Grundlage für eine hochgenaue und langzeitstabile Realisierung des Raumbezuges auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik. Sie sind Teil der nationalen und internationalen geodätischen GNSS-Infrastruktur und gewährleisten die Konsistenz des amtlichen Raumbezuges der Bundesrepublik Deutschland mit den europäischen und globalen Referenzsystemen.
GNSS–Real-Time-Service
Das Referenzstationsnetz GREF ist eine Infrastrukturkomponente zur Realisierung und Bereitstellung des geodätischen Raumbezuges. Unter Verwendung von GNSS-Echtzeitdaten des globalen GNSS-Referenzstationsnetzes sowie zusätzlicher europäischer und globaler Stationen werden am BKG GNSS-Korrekturparameter (Korrekturen für die GNSS-Satellitenbahnen und -uhren) abgeleitet und über die Broadcaster des GNSS-Datenzentrums der Nutzergemeinschaft zur Verfügung gestellt. Die Arbeiten werden als Echtzeitdienst (Real-Time-Service RTS) im Rahmen des Internationalen GNSS-Dienstes (IGS) durchgeführt. Die Korrekturdatenströme des IGS RTS erlauben die Positionsbestimmung in Echtzeit unter Nutzung des Precise Point Positioning (PPP)-Verfahrens mit einer Genauigkeit von derzeit 10 bis 20 Zentimetern an jedem Punkt der Erde.
Der IGS RTS wurde unter Praxisbedingungen im Rahmen des von der EU geförderten Projektes FAMOS getestet. Das Vermessungs-, Wracksuch- und Forschungsschiff DENEB des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) erhielt zu diesem Zweck eine Satelliteninternetkommunikationsanlage und einen zusätzlichen GNSS-Empfänger. Die Ergebnisse wurden mit entsprechenden Positionen anderer Dienstleister und anderweitig bestimmter Referenzlösungen verglichen.
Raumbezug im Meeresbereich
Die Positionierung von Objekten in einem geodätischen Referenzsystem in Echtzeit ist grundlegende Voraussetzung für viele Anwendungen im Verkehrswesen (Lokalisierung von Fahrzeugen und Schiffen, insbesondere für autonomes oder energieeffizientes Fahren; Optimierung der Schifffahrtsrouten; Ortung in Notsituationen), im Vermessungs-, Energie- und Bauwesen, bis hin zur Umwelt- und Klimaüberwachung. Die intensive Nutzung der Verkehrsräume, der weitere Ausbau der Windenergie, die Verlegung von Pipelines und Kabeltrassen, der Umweltschutz und anderer konkurrierende Nutzungskonzepte in Nord- und Ostsee stellen hohe Anforderungen an die Aktualität, Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Seevermessung sowie die Positions- und Höhenbestimmung im Meeresbereich.
Die bisherige Bestimmung der Korrekturdaten auf der Ostsee basiert ausschließlich auf Referenzstationen auf dem Festland und den Inseln. Die GNSS-Referenzstation auf FINO-2 bietet durch ihre zentrale Lage in der westlichen Ostsee optimale Voraussetzungen, um die Qualität vorhandener Satellitenpositionierungsdienste zu verifizieren. Durch den Ausbau der geodätischen Infrastruktur im Meeresbereich wird dem steigenden Bedarf an Geodaten sowie verbesserten und qualitätsgesicherten Positionierungsdienstleistungen Rechnung getragen.
Wissenschaftliche Anwendungsbereiche
Die Erde hat keine starre und unveränderliche Oberfläche. Dies wird bei Erdbeben, Vulkanausbrüchen oder Erdfällen besonders spektakulär deutlich. Bewegungen und Deformationen der Erdoberfläche finden jedoch auch über längere Zeiträume statt und können ebenso gesellschaftlich relevant sein. So hebt sich der Boden im nördlichen Ostseeraum noch heute um bis zu einem Zentimeter pro Jahr als Nachwirkung auf das Abtauen der Gletscher in der letzten Eiszeit. Folgen davon sind in langjährigen Pegelreihen auch an unserer Ostseeküste nachweisbar. Voraussetzung hierfür ist ein langzeitstabiler geodätischer Raumbezug für die Höhenbestimmung. Er ermöglicht die Georeferenzierung von Pegelmessungen auf FINO-2, d. h. die Bestimmung und das langfristige Monitoring der Höhe des Pegelnullpunktes in einem globalen Koordinatenreferenzsystem.
Die zentrale Lage von FINO-2 in der westlichen Ostsee eignet sich auch für Vergleiche mit satellitengestützten Verfahren zur Bestimmung der Meeresoberfläche (Satellitenaltimetrie). Die Referenzstation kann einen Beitrag zur Validierung von Satellitenaltimetermissionen, wie z. B. SWOT, liefern. Die Überwachung von millimetergenauen Meeresspiegeländerungen pro Jahr stellen besonders hohe Anforderungen an die Genauigkeit des geodätischen Raumbezuges.
Die Erfassung der Bewegungen der Erdkruste ist eine Aufgabe der Geodäsie. Sie bestimmt die grundlegenden Normen, die zur Definition von Koordinatenreferenzsystemen und darauf aufbauend zur Erstellung von Geoinformationssystemen und Karten notwendig sind. Ohne diese grundlegenden Erkenntnisse und die notwendigen Koordinatentransformationen zwischen globalen, regionalen und nationalen Koordinatensystemen ist eine hochgenaue Positionierung nicht möglich.
Kontak BKG:
Referat G3 - Integrierter Raumbezug
Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG)
Außenstelle Leipzig