Überwachung der Umweltradioaktivität

Das Bundesamt für Strahlenschutz betreibt auf den FINO-Forschungsplattformen Messstellen zur Überwachung der Umweltradioaktivität. Sie sind Teil eines Messnetzes mit etwa 1800 Messstellen, das der radiologischen Frühwarnung der Bevölkerung dient. Die Sonden sind gleichmäßig über das gesamte Bundesgebiet verteilt. Sie messen mit Hilfe von Geiger-Müller-Zählrohren die natürliche und im Falle eines radiologischen Zwischenfalls die künstliche Radioaktivität.

Die Umwelt ist ständig natürlicher Radioaktivität ausgesetzt. Sie setzt sich zusammen aus der Strahlung der überall im Boden und in Baustoffen vorkommenden natürlichen radioaktiven Stoffe (Radionuklide) wie z.B. Uran, Thorium oder Kalium (K-40) (terrestrische Strahlung) sowie aus einer Strahlung, die ihren Ursprung im Weltraum hat und von der ein gewisser Teil auch die Erdoberfläche erreicht (kosmische Strahlung). Die Höhe der Strahlung, die Ortdosisleistung (ODL) wird in der Einheit Microsievert pro Stunde (µSv/h) angegeben.

Auf dem norddeutschen Festland summieren sich diese beiden Komponenten zu Werten zwischen etwa 0.06 µSv/h und 0.08 µSv/h. Im Gebirge, z.B. im Schwarzwald werden normale Werte bis zu 0.2 µSv/h gemessen. Die höhere Strahlung in Gebirgsregionen resultiert einerseits aus dem hauptsächlich mineralischen Untergrund, andererseits aus der aufgrund der Höhenlage höheren kosmischen Komponente.

Kurzzeitige Erhöhungen bis zu einem Faktor 2 treten auf, wenn radioaktive Folgeprodukte des natürlich vorkommenden, radioaktiven Edelgases Radon durch Niederschläge ausgewaschen und am Boden deponiert werden. Solche Ereignisse sind fast immer mit Niederschlägen gekoppelt. Es ist typisch für diese natürlichen Ereignisse, dass sich die Ortdosisleistung nur kurz erhöht und innerhalb von wenigen Stunden auf den Normalpegel absinkt.

Besonderheiten einer Messstelle auf dem Meer

Ortsdosisleistungssonde auf FINO2

Bei der Messstelle auf FINO2 ist die terrestrische Komponente aufgrund der Höhe der Plattform und der Wasserschicht zwischen Meeresboden und Plattform komplett abgeschirmt. Die Sonde erfasst daher nur den kosmischen Anteil der Umweltradioaktivität. Ihr Literaturwert beträgt auf Meereshöhe 0.032 µSv/h. Die Anzeige der Sonde ist dagegen leicht erhöht. Die Kalibrierung der Sonde erfolgt für Spaltprodukte und nicht für die extrem hohen Energien der kosmischen Strahlung. Daher ist diese Kalibrierung hier nur bedingt anwendbar.

Die kosmische Strahlung aus dem Weltraum unterliegt einem komplexen Prozess der Interaktion mit dem Magnetfeld und der Erdatmosphäre. Der größte Anteil dieser Strahlung wird in der Atmosphäre abgeschwächt. Nur ein kleiner Bruchteil erreicht die Erdoberfläche als ionisierende Strahlung. Die gemessene Strahlung auf der Plattform wird neben den Regeneffekten durch Luftdruck, Sonnenzyklus und gelegentlich auch durch Sonneneruptionen moduliert. Der von der Sonne ausgehende Teilchenstrom erreicht wegen seiner geringeren Energie die Erdoberfläche zwar nicht, jedoch beeinflusst er mittelbar über das Erdmagnetfeld die Abschirmung der kosmischen Strahlung. Dies führt zu dem paradoxen Effekt, dass in Zeiten erhöhter Sonnenaktivität die kosmische Strahlung erniedrigt wird. Da die terrestrische Komponente fehlt und Regeneffekte auf der Plattform nur sehr kleine Erhöhungen zeigen (das Regenwasser läuft schnell ab), sind die kosmischen Effekte hier besser zu beobachten als an Land.

Bei aktuellen Sonneneruptionsereignissen können die Daten dazu beitragen, die Auswirkungen auf die Dosisleistung im ODL-Messnetz besser zu bewerten. Weitere Sonden des Bundesamts für Strahlenschutz zur Erfassung der kosmischen Strahlung befinden sich auf den anderen beiden FINO Plattformen, der Neumayer III Station des Alfred-Wegener-Instituts in der Antarktis, in einer Forschungsstation in Ny-Ålesund auf Spitzbergen und auf dem Leuchtturm Kiel.

Aufgrund der geographischen Lage eignen sich die drei FINO Plattformen insbesondere auch für die Frühwarnung bei radiologischen Ereignissen. Ein erhöhter Wert auf einer der Plattformen, wird zwar keinen Voralarm auslösen, da technische Effekte nicht ausgeschlossen werden können. Die Werte können aber zur Abschätzung der Stärke und der Dauer eines radioaktiven Ereignisses verwendet werden, sollte eine radioaktive Wolke das Festland erreichen.

Technische Umsetzung

Bei der Messstelle auf FINO2 handelt es sich um eine Gammastrahlungssonde (Abbildung 1), die mit zwei Geiger-Müller-Zählrohren ausgerüstet ist. Sie ist mit einem Kabel am Datenlogger angeschlossen. Die Messstelle wird mit Strom von der Plattform versorgt. Zur Überbrückung von Stromausfällen verfügt die Messstelle über einen Akku, mit dem der Betrieb etwa 96 Stunden ohne Netzspannung aufrechterhalten werden kann.

Der Datenlogger ist in das lokale IT-Netzwerk von FINO2 integriert. Die Datenübertragung zum Bundesamt für Strahlenschutz erfolgt einmal täglich. Beim Überschreiten des internen Schwellenwertes oder bei technischen Problemen erfolgt eine Übertragung sofort.

Herausforderungen

Da die Geiger-Müller Zählrohre sehr empfindlich sind, stellen Messungen auf einer Plattform eine Herausforderung dar. Bei stärkerem Wind wird die Plattform in Schwingungen versetzt. Diese Schwingungen werden von den Zählrohren teilweise aufgrund ihrer Bauweise fälschlicherweise als radioaktives Ereignis wahrgenommen. Durch diesen sogenannten Windeffekt der Zählrohre ergeben sich insbesondere im Herbst und Winter Zeiten, zu denen die Messergebnisse unbrauchbar sind. Das Resultat des Windeffekts ist in Abbildung 2 an den hohen Ausreißern zu erkennen. Diese sind als unplausibel markiert und gehen nicht in die weitere Beurteilung mit ein.

Eine Demonstrationsinstallation des Messwertsenders ist im Internet zu finden. Die Messwerte des Messnetzes werden vom Bundesamt für Strahlenschutz für die Bevölkerung auf der Webseite odlinfo alle sechs Stunden aktualisiert.